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Nachlese zur asp-Tagung in Bern 2017

Vom 25.-27. Mai 2017 fand heuer die 49. Jahrestagung der asp an der Universität Bern bei strahlend schönem Wetter statt. Auch 10 ÖBS-Mitglieder sind dem heurigen Thema "Gelingende Entwicklung im Lebenslauf" in die wunderschöne Schweizer Hauptstadt gefolgt. Ein ganzer Arbeitskreis zum Thema "Exekutive Funktionen in der leistungssportlichen Entwicklung" wurde unter dem Vorsitz von Günter Amesberger geleitet und stellte die seit 2 Jahren flächendeckend eingesetzte ÖBS-Diagnostik im Spitzensport und Nachwuchssport in ihrer theoretischen Verankerung (Thomas Finkenzeller), im Sportartenvergleich (Björn Krenn), im Nachwuchs-/Elite-Vergleich betreffend der Wechselwirkungen zwischen mentalen Kompetenzen und exekutiven Funktionen (Günter Amesberger) und als möglichen Prädiktor von Sportverletzungen (Sabine Würth) dar.  Dazu einige inhaltliche Hinweise:

Aktuelle Studien haben das enorme Potenzial exekutiver Funktionen (EF) für die sportpsychologische Diagnostik aufgezeigt. Unter EF werden psychische top-down Prozesse verstanden, die in die Bereiche Inhibition, Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität unterteilt werden (Diamond, 2013).  Empirisch konnte bereits nachgewiesen werden, dass die Ausprägung von EF sowohl zwischen jugendlichen (Verburgh u. a. 2014, Huijgen u. a., 2015) als auch zwischen erwachsenen FußballspielerInnen (Vestberg u. a., 2012) mit einem unterschiedlichen Leistungsniveau differenziert sowie dass EF eine hohe prognostische Validität für die sportliche Leistung im Fußball haben (Vestberg u. a., 2012). Diese Aspekte führten ausgehend vom Modell EF nach Diamond (2013) zur Entwicklung einer umfassenden Testbatterie, die in der sportpsychologischen Diagnostik des Österreichischen Bundesnetzwerks für Sportpsychologie (ÖBS) und im Rahmen von Aufnahmeprüfungen österreichischer Schulsportmodelle eingesetzt wird. Die Testbatterie scheint geeignet zu sein, um eine Vielzahl von EF von jugendlichen und erwachsenen LeistungssportlerInnen zu messen. Ansätze zum Bilden eines Kennwertes für kognitive Flexibilität aus beiden Flankeraufgaben und die Erweiterung um die Subdimension Antwortinhibition durch Hinzunahme einer Stopp-Signal-Aufgabe werden diskutiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Ausprägung der EF mit dem Alter zunahm und sie vor allem bei Sportarten mit hohen strategischen und interagierenden Anteilen höher ausgeprägt waren. Die Resultate legen nahe, dass die Leistungserbringung in Spielsportarten wesentlich von der Ausprägung der EF beeinflusst wird.

Während Exekutive Funktionen (EF) bereits gut untersucht sind, liegen zum Bezug von EF zu mentalen Kompetenzen  (MK) im Leistungssport kaum Informationen vor. Zudem scheint es in der sportpsychologischen Diagnostik von besonderem Interesse, wie sich subjektive Einschätzungen und objektive Leistungsparameter zueinander verhalten und im Laufe der Entwicklung verändern.  Zum Aufdecken der Bezüge wurden hierarchische Clusteranalysen getrennt für Nachwuchs- und SpitzensportlerInnen gerechnet. Es hat sich jeweils eine drei Clusterlösung mit jeweils höchst signifikanten Unterschieden in den einbezogenen Variablen herauskristallisiert. Cluster eins der NachwuchsportlerInnen ist gekennzeichnet durch schnelle Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, eine niedrige Fehlerquote sowie eine geringe Inhibitionszeit. Mental stellen sich diese SportlerInnen weniger entspannt, schlechter in der Fehlerbewältigung und misserfolgsängstlicher als Cluster zwei dar, welcher objektiv gleiche Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit - allerdings bei deutlich erhöhter Fehlerquote, also schlechterer Interferenzkontrollleistung - aufweist. Cluster drei vereint Personen mit deutlich langsamerer Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und schwächerer Arbeitsgedächtnisleistung bei ähnlicher mentaler Einschätzung wie Personen in Cluster eins. Bei den SpitzensportlerInnen stimmen mentale Einschätzung und EF-Leistungen besser überein. Cluster eins zeigt eine hohe Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit mit einer gewissen Fehleranfälligkeit bei inkongruenten Reizen. AthletInnen in Cluster zwei sind ähnlich schnell und weniger fehleranfällig bei geringerer Furcht vor Misserfolg. Cluster drei hat die höchste Fehleranfälligkeit sowie die geringste Leistung im Arbeitsgedächtnis.

In zahlreichen weiteren Arbeitskreisen wurden aktuelle wissenschaftliche Studien zu Themenbereichen wie Talenteselektion, Entscheiden, Gesundheit im Leistungssport, Affektive Prozesse im Schul-, Freizeit- und Gesundheitssport, Persönlichkeit im Leistungssport, soziale Interaktionen im Sport, Sportpsychologie mit  Menschen mit Behinderungen  und Neuropsychologie im Sport präsentiert, um nur einige zu nennen. Einen wesentlichen Bereich umfassten auch die Workshopangebote der angewandten SportpsychologInnen, welche sich sehr großem Interesse erfreuten: Tools und Techniken für Kinder und Jugendliche, Elterncoaching,  Achtsamkeit und ACT-basierte Interventionen, Sportpsychologie im Para-Sport uvm. Diese Themen werden wir auch in folgenden Intervisionen in Wien thematisch aufgreifen und weitergeben.

Besonders beeindruckend war die Live-Beratung von Jörg Wetzel, einem der führenden Schweizer Sportpsychologen in seiner Praxis. Zwölf Kolleginnen und Kollegen durften in einem Nebenraum mittels Livemitschnitt eine Beratungseinheit mit einem seiner Athleten beobachten. Drei Kolleginnen wurden auch in den Beratungsraum eingeladen und diskutierten untereinander ihre Eindrücke, wobei der Athlet diese dabei beobachten konnte. Zum Abschluss gaben alle zwölf SportpsychologInnen ein persönliches schriftliches (wertschätzendes) Feedback an den Sportler, das ihn auf seinem weiteren Weg unterstützen soll.

In den Hauptreferaten berichtete Maureen Weiss über Projekte in Amerika zur Unterstützung einer positiven Entwicklung Jugendlicher durch unterschiedliche Sportprogramme.

Oliver Höner nahm auf die Talenteforschung im Fußball aus sportpsychologischer Sicht Bezug und präsentierte zahlreiche internationale Studien dazu. Er forderte in seinem Vortrag vermehrt empirisch überprüfbare Theorien, um die jeweiligen Wirkungsweisen von psychologischen Merkmalen spezifizieren zu können.

Im letzten Hauptvortrag hielt Andreas Kruse ein sehr energievolles Plädoyer für gezielte Bewegungsangebote und Sport für ältere Menschen, um Gestaltungsmöglichkeiten bis ins hohe Alter gewährleisten zu können.     

In den Pausen und Rahmenveranstaltungen der asp Tagung kam es zu zahlreichen kollegialen und freundschaftlichen Gesprächen zwischen den Expertinnen und Experten. Der Freitagabend wurde gemeinsam am Gurten, dem Hausberg von Bern, mit einem gemeinsamen Dinner und Live-Musik und atemberaubenden Blick über Bern und die umliegenden Berge und Täler genossen, bis es spätestens um Mitternacht mit der letzten Bahnfahrt zurück in die Stadt ging. 

Im Rahmen der asp-sasp-ÖBS-Kooperation war Thomas Kayer für den ÖBS-Vorstandes in der jährlichen Sitzung des asp-Fortbildungsbeirats vertreten. Inhaltliches Thema war zum einen die Kooperation ÖBS/asp im Rahmen der Aus- und Weiterbildung. Das bedeutet zum einen, dass deutsche KollegInnen sich ÖBS Fort- und Weiterbildungen anrechnen lassen können, zum anderen, dass dies auch umgekehrt möglich ist. Eine offizielle Liste an qualitätsgesicherten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten ist gerade in Erarbeitung. Weiters ging es in der Sitzung um den erforderlichen Umfang an Fortbildungs- und Supervisionseinheiten, um auf der Expertenliste der BISp zu bleiben. Drittes Thema war die Weiterentwicklung der Curricula sportpsychologisches Training und Coaching. Hier ging es vor allem um die Kompensationskurse Sportwissenschaft und Psychologie.

Nächstes Jahr 2018 lädt die Sporthochschule Köln zur 50. Jahrestagung der asp mit dem Thema "Psychophysiologie der Handlung" ein und wir würden uns freuen, dort noch mehr Mitglieder aus dem Bundesnetzwerk Sportpsychologie antreffen zu können. 2020 findet diese Tagung wieder in Österreich statt.

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